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Texte zur zeitgenössischen Fotografie und digitalen Bildkunst
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Kreuzberg/Amerika von Thomas Weski

von Redaktion


Dieser Aufsatz erschien im Katalog „Werkstatt für Photographie(1976-1986)“ - anlässlich des dreiteiligen Ausstellungsprojektes: Museum Folkwang „das rebellische Bild“, C/O Berlin „Kreuzberg/Amerika“, Sprengelmuseum „Und plötzlich diese Weiten“, Verlag Walter König Köln,2016, Koenig Books.


Die Redaktion dankt dem Autor und dem Verlag für die Genehmigung, diesen Aufsatz in fotokritik.de online stellen zu können. Alle Rechte verbleiben bei dem Autor und dem Verlag.



Kreuzberg/Amerika


von Thomas Weski


Ab Mitte der 1970er-Jahre findet in Deutschland ein unvergleichlicher Aufbruch in der Fotografie statt. Eine jüngere Generation von Akteuren verschafft sich in kurzer Zeit in verschiedenen Initiativen eine Infrastruktur für eine künstlerische Fotografie. Im Rückblick ist die von Michael Schmidt 1976 in Berlin gegründete Werkstatt für Photographie ein erfolgreiches, innovatives und einzigartiges Modell einer Institution der Kulturproduktion im Rahmen der Erwachsenenbildung sowie zugleich ein von Widersprüchen geprägter Ermöglichungsraum für die aktiv Beteiligten. Während ihres Bestehens von 1976 bis 1986 und darüber hinaus entwickelt die Werkstatt einen weit über die Stadt reichenden Einfluss: Das gilt zum einen für die spezifisch fotografische Methode, der dokumentarische Stil, der über Jahre entwickelt wird, zum anderen für die Pionierleistung der Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen amerikanischen Fotografie. (1) Dennoch findet die Werkstatt bislang kaum Beachtung in der fotografischen Geschichtsschreibung.(2)


Entscheidend für die Entstehung der Werkstatt ist das gesellschaftspolitische und künstlerische Interesse von Michael Schmidt, auf dessen Initiative die Gründung zurückgeht. Mitte der 60er-Jahre entdeckt Michael Schmidt für sich die Fotografie. Zuerst ist es die technische Perfektion der Kamera eines Kollegen bei der Berliner Polizei, die ihn interessiert. Später wird ihn sein Leben lang der Vorgang des Fotografierens faszinieren. Die Aufnahmen, die dabei entstehen, gewinnen für ihn zunehmend an Bedeutung und stehen schließlich im Mittelpunkt seines Interesses, das über einen bloßen Zeitvertreib weit hinausgeht. Er tritt in verschiedene Amateurfotografievereine ein, verlässt diese aber wieder schnell, da er die dortige fotografische Praxis als oberflächlich empfindet. Er bildet sich als Autodidakt in der Fotografie fort und findet in der bildenden Kunst und Literatur Vorbilder in der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. Diese Beschäftigung, die er neben seinem Beruf ausübt, nimmt schnell existenziellen Charakter an und bestimmt sein Leben zunehmend. 1969 beginnt er an der Volkshochschule Berlin-Kreuzberg im Bereich Fotografie Kurse anzubieten, ab 1970 unterrichtet er auch an der Volkshochschule Berlin-Neukölln und sieht sich dabei zu einer „verbalen Auseinandersetzung herausgefordert“(3), die ihm Spaß macht und auch der eigenen Entwicklung dient. Neben rein technischen Kursen richtet er das Seminar „Kreative Fotografie“ ein und zeigt 1972 und 1974 die Bildergebnisse der Kursteilnehmer in zwei Ausstellungen im Rathaus Neukölln.


Michael Schmidt hat gute Kontakte zum Bezirksamt Kreuzberg, mit dessen finanzieller Unterstützung er sein erstes Buch fotografiert, das 1973 unter dem Titel Berlin Kreuzberg (4) veröffentlicht wird. Der Erfolg dieses Buches, das in zwei Auflagen erscheint, führt zu der Entscheidung, den Polizeidienst zu verlassen und als freiberuflicher Fotograf zu arbeiten.
Seine Beziehungen auf Bezirksebene bringen ihm 1975 weitere Aufträge (5)ein, und im gleichen Jahr etabliert er sich mit seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie Springer(6) als künstlerischer Fotograf.


In dieser Zeit entwickelt er die Idee einer „Werkstatt für Fotografie“, die im Rahmen der Erwachsenenbildung als Schule für Fotografie allen Berufs- und Bildungsgruppen offenstehen soll. In dem Direktor der Volkshochschule Berlin-Kreuzberg, Dietrich Masteit, findet Schmidt einen tatkräftigen Unterstützer der Idee. Am 13. September 1976 (7) eröffnet die „Werkstatt für Fotografie“ in der Volkshochschule in eigenen Räumen in der 3. Etage der Friedrichstraße 210, direkt an der U-Bahn-Station Kochstraße und damit auch in Sichtweite der Mauer und des Grenzübergangs Checkpoint Charlie gelegen. Im Vorlesungsverzeichnis wird das Konzept der Werkstatt erläutert, das „dem Amateur die Aussicht [bietet], nach 4 bis 5 Jahren intensiver Arbeit an der Volkshochschule den Erfahrungsschatz eines ausgebildeten Berufsfotografen zu haben. Wir bieten die einmalige Gelegenheit einer Fotoschule ohne Aufnahmebedingungen“. Dieses mehrjährige und aufeinander aufbauende Kurssystem ist ein einzigartiges Angebot in West-Berlin, wo zur damaligen Zeit Fotografie an keiner der Hochschulen studiert werden kann.


Die Werkstatt verfügt über ein Tages- und ein Blitzlichtstudio, diverse Kameras in verschiedenen Aufnahmeformaten, Projektoren sowie über ein Schwarz-Weiß- und ein Farblabor. Außerdem gibt es „eine Galerie für ständige Ausstellungen, einen Kommunikationsraum zum Klönen und Lesen. Es liegen Fotozeitschriften und Fachbücher aus“. An jedem zweiten Sonntag wird ein Frühschoppen zum Meinungsaustausch angekündigt, der jedem „Foto-Interessenten“ offensteht. In der Galerie wird angestrebt, „nur erstklassige Arbeiten bekannter und noch unbekannter Fotografen auszustellen“ und Gastreferenten, „die auf dem Gebiet der Fotografie Sachautoritäten sind“ (8) sollen eingeladen werden. Diese Veranstaltungen stehen grundsätzlich jedem Interessierten offen.


Von Anfang an ist die Werkstatt eine Erfolgsgeschichte. 217 Hörer werden im September 1976 aufgenommen, weitere 304 tragen sich in eine Warteliste ein. Insgesamt werden von ihrer Gründung bis zur Schließung 1986 mehr als 2 500 Hörer an mehr als 200 Kursen teilnehmen. In der Galerie werden 47 Ausstellungen gezeigt und 28 Workshops und Wochenendseminare durchgeführt. (9)


In den ersten Semestern lehrt Michael Schmidt jeden Werktag von 18 bis 21 Uhr Grundkurse zur Schwarz-Weiß- und „Color-Fotografie“, „Fotografie für Senioren“ und Hauptkurse, für die von den Teilnehmern „ein ernsthaftes Interesse an gestalterisch-künstlerischer Fotografie“ vorausgesetzt wird. Das Ziel der Hauptkurse ist, „aussagestarke Fotografien“ herzustellen. In dem von Schmidt geleiteten „Seminar für Fotografie“ „geht es um die individuelle Förderung von Fotografen, die an ihrem eigenen Stil arbeiten“. Dabei soll „das Studium der Geschichte der Fotografie, die Auseinandersetzung mit klassischen und zeitgenössischen Fotografen und die Beschäftigung mit philosophischen Fragen helfen, den jetzigen Standort des Mediums Fotografie für den Hörer verständlich zu machen“. (10)


Bei der Umsetzung dieses ehrgeizigen und anspruchsvollen Programms wird Michael Schmidt von Anfang an von Ulrich Görlich unterstützt. Görlich verfügt über ein abgeschlossenes Ingenieurstudium und studiert an der Pädagogischen Hochschule Kunst und Arbeitslehre. 1972 hat er an dem Seminar „Kreative Fotografie“ von Michael Schmidt teilgenommen und unterrichtet ab 1976 an der Volkshochschule Steglitz und an der „Werkstatt für Fotografie“. Im Seminar lernt er Wilmar Koenig kennen, der Architektur an der TU Berlin studiert, und zusammen stellen beide im Sommer 1976 in der Galerie Bilderbude des Kreuzberger Künstlerkreises e.V. aus. Ab 1977 verstärkt Wilmar Koenig das Dozententeam der Werkstatt und im gleichen Jahr folgt Klaus-Peter Voutta, der Kunstgeschichte studiert. Michael Schmidt leitet zu diesem Zeitpunkt die Einrichtung. Während der zehnjährigen Existenz der „Werkstatt für Photographie“, wie sie sich ab September 1977 schreibt, wird es keinen hauptamtlichen Leiter geben, die Verantwortung übernehmen verschiedene Personen und Teams. (11)


Die Dozenten vermitteln in ihrem Unterricht den von Michael Schmidt formulierten Anspruch, die Fotografie als persönliches Ausdrucksmittel zu verstehen. „Wir bemühen uns, dem Schüler zu helfen, seine Persönlichkeit zu erkennen beziehungsweise zu finden. … Wir gehen aber davon aus, dass jeder Schüler sich im Laufe der Zeit seiner Persönlichkeit bewusst wird und dieses neugewonnene Bewusstsein vielschichtig einsetzen und verwerten kann; egal, ob er als Photograph oder auf einem anderen Gebiet arbeitet. Der Mensch als Persönlichkeit ist für uns das Wesentliche, durch ihn erst kann Photographie entstehen und niemals umgekehrt. Viele Photographen gehen den falschen Weg und setzen das Medium an die wichtigste Stelle in ihrem Leben. Sie lassen sich von einer Sache beherrschen, anstatt sie zu verstehen. Verständnis erreicht man aber nur, indem man sich selbst erkennen lernt. Deshalb ist ,Selbsterkenntnis‘ für uns ein Schwergewicht unserer Arbeit, ohne dabei in gruppentherapeutisches ,Psychologisieren‘ abzugleiten. Wir bemühen uns gemeinsam mit dem Schüler, anhand seiner Arbeit herauszufinden, ob diese ehrlich ist, oder ob die Ehrlichkeit nur aufgesetzt ist, um Unaufrichtigkeit und falschen Ehrgeiz zu verbergen. Das ist unseres Erachtens ein Hauptproblem vieler Photographen.“ (12)


Diese programmatische Aussage illustriert den Anspruch, den die Werkstatt jenseits der Technikvermittlung hat und auch, welche Hierarchie sie etabliert. Schon in der Volkshochschule Neukölln hat Michael Schmidt Schüler, die er in der Regel aus den Reihen der Hörer seiner Kurse rekrutiert und privat unterrichtet. Er übernimmt damit das klassische Meister-Schüler-Verhältnis, wie es an deutschen Kunstakademien bis heute praktiziert wird, und überträgt es auf seinen Unterricht. Die Wochenendseminare, die er in Berlin und auch in seinem Ferienhaus im niedersächsischen Schnackenburg an der Elbe mit organisatorischer Unterstützung seiner Frau Karin Schmidt anbietet, bestehen aus Bildbesprechungen, Fotografieren und gemeinsamen Mahlzeiten. Es geht neben der Vermittlung von Fotografie um Persönlichkeitsbildung. Mit diesem Ansatz ist der Unterricht von Michael Schmidt nicht nur mit seinen Schülern, sondern auch mit den Hörern in der Werkstatt ganz allgemein von typischen Zeitphänomenen wie der Beziehung zwischen Gesellschaft und Individuum und ihrer psychologischen Deutung geprägt. Da es bei den Arbeiten um die Persönlichkeit des Fotografen geht, ist die Kritik an dem Bild nicht von seinem Urheber zu trennen. So kommt es zu gegenseitigen Verletzungen der Beteiligten, zu denen auch der direkte, raue Ton der Debatte beiträgt.


Das Ausstellungsprogramm der Werkstatt vereint Extreme, indem es im Wechsel Arbeiten anerkannter Fotografen und die Aufnahmen von Hörern, Schülern und Dozenten zeigt. Die erste Ausstellung wird Anfang September 1976 eröffnet und besteht aus 110 Fotografien von Stern-Fotoreportern aus dem Archiv der Illustrierten und belegt das Interesse der Programmverantwortlichen an formal zugespitzten Bildern aktueller Themen. In dieser Zeit arbeitet Michael Schmidt noch als freiberuflicher Fotograf. Bei der zweiten Ausstellung handelt es sich um die erste monografische Werkstattpräsentation: Heinrich Riebesehl, ein Otto-Steinert-Schüler, den Schmidt in der Gesellschaft der Deutschen Lichtbildner, in der damals beide kurz Mitglieder sind, kennenlernt, präsentiert 1977 seine dem magischen Realismus zugeordneten Aufnahmen aus der Serie Situationen und Objekte, die ein Jahr später als erste Monografie eines zeitgenössischen deutschen Fotografen nach 1945 veröffentlicht wird. Die dritte Ausstellung zeigt mit George Tice die erste amerikanische Position im Programm, gefolgt von der Gruppenausstellung Photographie – Dokumente des 19. und 20. Jahrhunderts, die von Allan Porter, dem Chefredakteur der Zeitschrift Camera, zusammengestellt wird und über 120 Werke international anerkannter Fotografen vereint. Darauf wird eine Ausstellung von Wilmar Koenig und Jürgen Frisch präsentiert, zwei Schülern von Michael Schmidt, die sich beide der Darstellung von Menschen in ihren Wohnungen widmen und dafür eine sachliche Form gewählt haben. Ihr folgt mit Hörer und Dozenten, die den Beginn einer in den nächsten Jahren durchgeführten dreiteiligen Ausstellungsreihe bildet, eine weitere Präsentation von Arbeiten, die in der Werkstatt entstanden sind. Das abwechslungsreiche Ausstellungsprogramm mit bekannten und unbekannten Fotografen löst das zur Gründung eingegangene Versprechen auf Vielfalt ein, belegt den Anspruch und demonstriert Selbstbewusstsein.

Bereits 1977 tritt Michael Schmidt von der Leitung der Werkstatt zurück, ist aber weiterhin im künstlerischen Bereich beratend tätig und setzt seine Lehrtätigkeit fort. Die Werkstatt wird nun von Ulrich Görlich geleitet. Das Ausstellungsprogramm zeigt das wachsende Interesse an der zeitgenössischen amerikanischen Fotografie. (13) Wilmar Koenig reist in die USA, um dort einen Workshop mit Ralph Gibson zu organisieren. In dessen Wohnung trifft Koenig zufällig Larry Clark. Er lädt beide amerikanischen Fotografen zu Ausstellungen in die Werkstatt ein. (14) In den nächsten Jahren spielt Koenig eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen den Kontinenten, auch weil er, wie auch Görlich, im Gegensatz zu Schmidt fließend Englisch spricht. (15)


1978 wird in der Werkstatt eine Gruppenausstellung zeitgenössischer amerikanischer Fotografen in Zusammenarbeit mit der Galerie Kicken präsentiert. Mit Werken von u.a. Lewis Baltz, Joe Deal, Frank Gohlke und Stephen Shore vereint die Ausstellung die Werke vieler heute hoch angesehener und international erfolgreicher Fotografen. Mit Stephen Shore hält zu einem frühen Zeitpunkt ein künstlerischer Umgang mit der Farbfotografie Einzug in die Werkstatt. Lewis Baltz wird später wie auch John Gossage, der im gleichen Jahr mit Gardens seine erste Einzelausstellung in der Werkstatt hat, in den kommenden Jahren regelmäßig die Werkstatt besuchen, dort ausstellen und lehren.


Die räumliche Situation in der Werkstatt für Photographie ist beengt. Die als Galerie I und II bezeichneten Ausstellungsräume, einer davon ein Durchgangszimmer, werden auch zum Unterrichten genutzt. Sie sind mit Bilderschienen ausgestattet, an denen die Exponate an Drähten abgehängt und von Neonröhren beleuchtet werden. Bei den Präsentationen kommt es zur Begegnung von Ausstellungsbesuchern und Hörern der Werkstatt. Der Unterricht in den Ausstellungsräumen lässt direkte Vergleiche von Aufnahmen der Hörer und der jeweils präsentierten Bilder zu. Aus heutiger Sicht wirken die Ausstellungen sehr einfach. Die Abzüge werden in vorhandenen Rahmen unter Passepartouts präsentiert. Wünsche der ausstellenden Fotografen hinsichtlich ihrer Präsentation gibt es zunächst nicht, sie vertrauen ganz auf die visuelle Kraft ihrer Bilder. So kommt es, dass heute kanonische Arbeiten der künstlerischen Fotografie des 20. Jahrhunderts mit hohem Marktwert, wie damals allgemein üblich, in preiswerten Rahmen und ohne besondere Sicherungsmaßnahmen gezeigt werden.


Die Außendarstellung der Einrichtung findet 1978 ein prägnantes Erscheinungsbild, als Gabriele Franziska Götz, die Hörerin in der Werkstatt und grafische Gestalterin ist, beginnt, die Drucksachen der Werkstatt ‒ Einladungen, Kataloge und Plakate – zu entwerfen. Durch einen Hörer, der Drucker ist, kommt die Werkstatt günstig zu besonders hochwertigem Papier zweiter Wahl für Zigarettenschachteln aus seinem Betrieb. Unter seiner technischen Mithilfe entstehen großformatige Plakate, die für die ausgestellten Fotografen damals enorme Bedeutung haben, da es noch ungewöhnlich ist, überhaupt Ausstellungsplakate zu bekommen.


In den ersten Jahren ihrer Existenz dominiert in der Werkstatt eine fotografische Methode, die eng mit der künstlerischen Praxis von Michael Schmidt verbunden ist: eine in der Wahl der Themen sehr persönliche, in der Wahl der Mittel zurückhaltend-sachliche Form der Dokumentarfotografie. Im März 1979 erscheint eine Ausgabe des Schweizer Magazins Camera, in der die neue Berliner Fotografie anhand der Arbeiten von Michael Schmidt, Ulrich Görlich, Jürgen Frisch und Wilmar Koenig vorgestellt wird. In der Einleitung „Berliner Tagebuch“ schreibt der „Chefredaktor“ Allan Porter: „... Sie sind Dokumentarphotographen unserer Zeit und streben mit grosser Überzeugung nach Klarheit, Eindeutigkeit und Objektivität: dem Abstrakten und Subjektiven gegenüber sind sie eher abgeneigt. Sie handeln lieber, als dass sie träumen, sie sind harte Arbeiter, die ihr Berlin optisch bis in seine Tiefen erfassen und darzustellen versuchen. ... Persönliches Engagement ist wichtiger als kommerzielle Absichten. Auf Extravaganz wird verzichtet, dafür sucht man nach Ehrlichkeit, und die Authentizität wird wichtiger als Form. Das alles ist vielleicht nicht neu, aber es ist ihre Art zu arbeiten.“ (17)


Die Tendenz, die Porter in Berlin sieht, wird durch eine fast zeitgleich in Bonn stattfindende Ausstellung bestätigt. Im Juni 1979 eröffnet Klaus Honnef In Deutschland – Aspekte gegenwärtiger Dokumentarfotografie (18) im Rheinischen Landesmuseum Bonn, die er zusammen mit Wilhelm Schürmann kuratiert. Darin zeigen sie den eigenständigen Auftritt einer jüngeren Generation deutscher Fotografen, die sich in ihren Arbeiten auf dokumentarische Strategien einer Tradition berufen, die zu diesem Zeitpunkt vor allem in den USA praktiziert wird. Den Schwerpunkt der Ausstellung bilden Arbeiten von Fotografen aus Berlin und Düsseldorf, die mit ihren dokumentarischen Ansätzen erstmals zusammen präsentiert und von Honnef in seinem Katalogtext „Es kommt der Autorenfotograf“ eingeordnet werden. Mit zeitlichem Abstand wird die Präsentation als „epochales Ausstellungsprojekt“ (19) bewertet.


Ab diesem Zeitpunkt wird in der Werkstatt ein Programm mit Ausstellungen, Vorträgen (20) und Workshops umgesetzt, das ganz wesentlich ihren Ruf als Ort des internationalen Austauschs begründet und von dem neu gegründeten „Freundeskreis der Werkstatt für Photographie“ unter Leitung von Jürgen Bienert gefördert wird. Mit Unterstützung des Programmverantwortlichen des Amerika Hauses in West-Berlin, Jörg Ludwig, der in seinem Haus seit seinem Amtsantritt 1977 Fotografieausstellungen durchführt, werden amerikanische Fotografen (21) nach Berlin eingeladen und in der Werkstatt gezeigt. Lewis Baltz und John Gossage halten parallel zu ihren Ausstellungen in der Werkstatt Vorträge im Amerika Haus. (22) Berlin profitiert hier auch von seinem Image als Frontstadt im Kalten Krieg, die auf die Amerikaner eine besondere Faszination ausübt, stehen sich hier die militärischen Blöcke der verschiedenen politischen Systeme doch unmittelbar und sichtbar gegenüber. Die deutschen Fotografen, besonders die in Berlin aufgewachsenen, beschäftigen sich selten mit dieser Motivwelt, sondern versuchen, das Allgemeingültige der Großstadt, weniger ihre Spezifik darzustellen. Lewis Baltz, William Eggleston, Larry Fink und John Gossage haben wiederholt Auftritte in der Werkstatt. Gossage kehrt mehrmals zu längeren Arbeitsaufenthalten nach Berlin zurück und fotografiert dort umfassende Serien. (23)


Innerhalb der damaligen Infrastruktur für Fotografie spielt die Werkstatt eine wichtige Funktion als Katalysator. In einer Zeit ohne Internet sind persönliche Kontakte wichtig, um Informationen zu erhalten. Da die bestehenden fotografischen Vereine wie die Deutsche Gesellschaft für Photographie oder die Gesellschaft Deutscher Lichtbildner ihre Mitglieder aufgrund von Empfehlungen berufen, stehen sie für eine jüngere Generation nicht offen. Eine erste, selbst organisierte Versammlung junger Fotografen findet daher 1981 in Essen statt. (24) Weitere Treffen werden 1982 im Anschluss in Hannover und in der Berliner Werkstatt abgehalten. Der Wunsch, sich auszutauschen, gemeinsame Ziele zu formulieren und sich zusammenzuschließen, findet am Ende keine Organisationsform. Zu stark ist die Abneigung dagegen, sich in vereinsähnlichen Strukturen wiederzufinden. Als Resultat dieser informellen Zusammenkünfte bilden sich später private Netzwerke (25), in denen Bildbesprechungen, Ausstellungsbesuche und Treffen an verschiedenen Orten durchgeführt werden.


1982 übernehmen Wilmar Koenig und Klaus-Peter Voutta die Leitung der Werkstatt, weil Ulrich Görlich mit seiner Partnerin Gabriele Franziska Götz für ein einjähriges Auslandsstudium an das California Institute of the Arts in Los Angeles geht. Ein Jahr später zieht sich Michael Schmidt vollständig aus der Werkstatt zurück, um sich ausschließlich seiner künstlerischen Arbeit zu widmen. 1984 übernimmt ein neues Leitungsteam die Verantwortung, das aus Gosbert Adler, Thomas Leuner und Hermann Stamm besteht. Adler, der an der Folkwangschule in Essen studiert hat, bietet Farbfotografiekurse an, Leuner war Schüler von Michael Schmidt und hat eine Entwicklung in der Werkstatt vom Hörer zum Dozenten gemacht (so wie auch spätere Dozenten wie Friedhelm Denkeler oder Ursula Kelm), und Stamm, der 1979 den ersten Otto-Steinert-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie erhält, unterrichtet ebenfalls an der Werkstatt. Als Leitungsteam teilen sie unter sich die Verantwortung. Das Ausstellungsprogramm zeigt nun die vielfältigen Interessen des Teams (26) und ein damit verbundenes verändertes Verständnis von dokumentarischer Fotografie (27), das sich auch in einer zunehmenden Subjektivierung der Bildsprache in den Arbeiten der Hörer und Dozenten äußert.


Dass die Werkstatt grundsätzlich für jeden zugänglich ist, spricht sich schnell in der westdeutschen Fotografieszene herum. Besonders die an Wochenenden stattfindenden Workshops werden von jungen Fotografen aus Essen, Kassel, Hamburg und Hannover besucht. Die amerikanischen Fotografen zeigen in ihren Diavorträgen oft nicht nur ihre eigenen Bilder, sondern auch die von anderen Fotografen. So sind die Besucher nach einem Vortrag von Lewis Baltz auch über Arbeiten von Fotografen wie Robert Adams, Chauncey Hare oder Anthony Hernandez informiert.


1984 kuratieren Lewis Baltz und John Gossage gemeinsam die Ausstellung Fotografie aus Berlin bei Castelli Graphics in New York. Ihre Auswahl besteht aus Fotografen (28), die der Werkstatt eng verbunden sind und die sie persönlich bei ihren Aufenthalten kennengelernt haben. In dem Katalog beschreiben sie die Werkstatt als einzigartige Institution: „Man kann nicht über die zeitgenössische Westberliner Fotografie reden, ohne die Werkstatt für Photographie der VHS Kreuzberg zu erwähnen. Die Werkstatt, die in einem unscheinbaren Gebäude an der Friedrichstraße mit Blick auf den Checkpoint Charlie (da haben wir wieder die Mauer) untergebracht ist, hat sich mit einem engagierten Programm mit Kursen, Ausstellungen, Publikationen und Workshops zum wichtigsten Bindeglied zwischen den Berliner Fotografen der 1970er-Generation und ihren europäischen und amerikanischen Kollegen entwickelt. Auch wenn Berlin noch weitere Institutionen und Fotografen von Bedeutung hervorgebracht hat, kann man nicht genug betonen, welch enormen Einfluss die Werkstatt auf die Entwicklung der Fotografie in Westberlin hatte. Zu verdanken ist dies der Weitsicht und den vielgestaltigen Aktivitäten ihres Gründungsdirektors Michael Schmidt und dem Talent und der Hingabe der nachfolgenden Schüler- und Lehrergenerationen. In den Vereinigten Staaten gibt es nicht eine Institution, die sich einer vergleichbaren Aufgabe gestellt hätte.“ (29) Die Ausstellung wird im Anschluss an New York in Washington und Kalifornien gezeigt. Die Washington Times stellt in einer Besprechung vom 27. September 1984 die besondere Qualität der Ausstellung fest und verbindet sie mit der politischen Isolierung der Stadt: „Die künstlerische Hochkonjunktur, die Westberlin in jüngster Zeit erlebt, lässt sich nur im Zusammenhang mit der ausgeprägten Klaustrophobie erklären, unter der die Menschen in dieser Stadt leiden. Wie bei Patienten, die an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen sind, ist ihr Bewegungsradius begrenzt und beschränkt sich auf eine künstlich aufrechterhaltene Umgebung. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass das Beste, was Westberlin an Kunst hervorgebracht hat, etwas von der fiebrigen, halluzinatorischen Vehemenz eines Schwerkranken hat.“ (30)


Seit Anfang der 1980er-Jahre besteht auch eine besondere Beziehung zwischen Berlin und Graz, zwischen der Werkstatt und den von Christine Frisinghelli und Manfred Willmann, den Herausgebern der Zeitschrift Camera Austria, ausgerichteten internationalen Fotosymposien im Rahmen des Steirischen Herbstes. Oft finden zuerst in Berlin Veranstaltungen statt und dann reisen die amerikanischen Gäste mit ihren deutschen Freunden nach Graz und setzen dort den transatlantischen Dialog mit vielen Besuchern aus Italien und dem noch existierenden Jugoslawien fort.


1985 gibt es mit dem Besuch von Robert Frank, der einen Workshop in der Werkstatt abhält, einen Höhepunkt im Programm. Mit seinem Auftritt schließt sich der Kreis der Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen amerikanischen Fotografie, hat Frank doch mit den 1959 erschienenen The Americans den Meilenstein künstlerischer Autonomie und Autorschaft gesetzt, auf den sich immer wieder viele der Gäste der Werkstatt als Referenzpunkt beziehen.


Gosbert Adler, der für die Galerie zuständig ist, beginnt zusammen mit Wilmar Koenig eine Ausstellung zur zeitgenössischen Fotografie in der DDR zu organisieren, weil sie neugierig darauf sind, was sich „auf der anderen Seite der Mauer tut“ (31). Das damalige West-Berlin ist die „künstlichste Stadt“ (32), die aufgrund ihrer subventionierten politischen Rolle einen eigenen Charakter besitzt. Dieser Teil der Stadt ist umgeben vom weitgehend unbekannten Terrain der DDR, in der sich gleichwohl eine vitale und reichhaltige Fotoszene entwickelt, die es nun zu erforschen gilt.


Zum Zeitpunkt der Entscheidung, eine Ausstellung mit jungen Fotografen aus der DDR durchzuführen, gibt es noch kein Kulturabkommen zwischen den beiden deutschen Staaten. Trotzdem findet die Idee Unterstützung auf beiden Seiten der Mauer: Der Berliner Senat stellt finanzielle Mittel zur Verfügung und stellt über einen Mittelsmann den Kontakt zum Staatlichen Kunsthandel der DDR her, der für Adler und Koenig als Kuratoren der einzige offizielle Ansprechpartner ist. Demgegenüber erklären sie, dass es sich bei ihrem Vorhaben nicht um ein Kulturprojekt, sondern um eine Verkaufsausstellung handele. Von dort kommt die Bedingung, dass nur Mitglieder des Verbandes Bildender Künstler der DDR in der Ausstellung vertreten sein dürfen. Adler und Koenig bekommen ein Dienstvisum für den Grenzübertritt in die DDR, müssen keinen Zwangsumtausch entrichten und können sich frei im ganzen Land bewegen; allerdings begleitet sie immer ein Mitarbeiter des Staatlichen Kunsthandels. Auf diesen Reisen erhalten sie zunehmend Zugang zur jungen Fotografieszene. Kurz vor dem Eröffnungstermin verweigert aber der Staatliche Kunsthandel die Ausfuhr der Ausstellungsbilder – ohne einen Grund für die Absage zu nennen.


Inzwischen ist der Katalog bereits in West-Berlin gedruckt. (33) Die Ausstellung DDRFOTO (34) wird mehrfach verschoben, zuletzt wird sie provisorisch im Januar 1986 als letzte Ausstellung der Werkstatt überhaupt präsentiert, indem mehrere aufgebrochene Exemplare des Katalogs an die Wand geheftet werden.


Zu diesem Zeitpunkt wird die langjährige Arbeit der Werkstatt vor allem als Beispiel eines frühen internationalen Austauschs in der Fotografie wahrgenommen, der sich hauptsächlich zwischen Kreuzberg und Amerika abspielt. Dass dieser Dialog aber nicht einseitig ist, sondern auch Auswirkungen auf die amerikanische Fotografie hat, schildert John Gossage: „Jahre später erzählte mir Schmidt, er habe das Workshop-Programm so konzipiert, dass er und seine Schüler sich ‚etwas von den Amerikanern abschauen‘ konnten. Denn wie es schien, waren es die Amerikaner, die damals die interessantesten Arbeiten hervorbrachten, und man wollte wissen, wie sie das machten. Etwas, das zur damaligen Zeit zutreffend gewesen sein mag, das sich seither allerdings um 180 Grad gewendet hat.“ (35)


Neben ihrem offenen, internationalen und verbindenden Charakter ist die Werkstatt auch ein erfolgreiches und zugleich von Paradoxien gekennzeichnetes Modell der Selbstermächtigung. Obwohl die Werkstatt als Einrichtung der Volkshochschule ein Ort allgemeiner „Volksbildung“ ist, ist sie zugleich eine internationale Plattform für Kontakte und Informationen im Bereich zeitgenössischer Fotografie. Keiner der Fotografen der ersten Generation, die mit der Werkstatt verbunden werden, hat eine fotografische Ausbildung. Als Autodidakten haben sie ein anderes, freieres Verständnis des Mediums als ihre Berufskollegen. (36) Trotzdem professionalisieren sich viele von ihnen und arbeiten in der Folge als Fotografen. Die Mehrzahl der Dozenten hat keine pädagogische Ausbildung, aber alle sind im Rahmen der Erwachsenenbildung tätig. Einige sind bis heute als Dozenten und Professoren in der Lehre tätig. Kuratoren für Fotografie gibt es zur Gründung der Werkstatt in Deutschland nicht, aber ihre Organisatoren richten in der Werkstatt Ausstellungen aus. In ihnen werden Arbeiten unbekannter Fotografen im Wechsel mit Werken bekannter Fotografen präsentiert, aber diese Pionierleistung findet kaum Resonanz in den Medien. Die Werkstatt bietet jedem Interessierten einen Möglichkeitsraum zur Entfaltung seiner Neigungen. (37) Für einige Hörer und Dozenten funktioniert sie als Sprungbrett in die Professionalität, während andere nach der Schließung der Werkstatt in ihr Studium oder ihren Beruf zurückkehren, ihre Fotografie aufgeben oder weiterverfolgen. Die Einrichtung verschafft West-Berlin eine große Bedeutung innerhalb der internationalen Fotografie, wird aber im Wesentlichen von dem außerordentlichen, oft existenziellen Engagement (38) der Beteiligten getragen. Trotz geringer finanzieller Mittel wird die Werkstatt – und das ist ihre historische Leistung neben ihrem einzigartigen Modell einer offen zugänglichen fotografischen Ausbildung – zum prägenden Ort des transatlantischen fotografischen Dialogs zwischen Kreuzberg, Deutschland und Amerika.


Am Ende ist es ein profaner Personalwechsel (39) und eine damit verbundene neue Schwerpunktsetzung, die das Ende der Werkstatt herbeiführen. In diesem Zusammenhang kommt es für die Werkstatt zur Aufhebung ihrer Autonomie und zu einer drastischen Etatkürzung. Die Anstrengungen des Leitungsteams, in Verhandlungen mit der Verwaltung und Politik diese Veränderungen rückgängig zu machen, haben keinen Erfolg. (40) In einem „solidarischen Akt aller Dozenten“ schließen sie die Einrichtung im Sommer 1986. (41) Mit der Zeit gerät die Werkstatt für Photographie in Vergessenheit und wird zum Mythos.





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(1) Christoph Schaden beschreibt die Verbindung zwischen Bernd und Hilla Becher und Stephen Shore und dessen Einfluss auf die Düsseldorfer Fotoszene in dem Katalog der von ihm kuratierten Ausstellung Der Rote Bulli. Stephen Shore und die Neue Düsseldorfer Fotografie. Christoph Schaden, Der Junge am Fenster, in: Der Rote Bulli. Stephen Shore und die Neue Düsseldorfer Fotografie, Düsseldorf 2010, S. 28‒71.
Anders als in Düsseldorf, wo sich der Kontakt auf Stephen Shore beschränkt, sind in der Werkstatt für Photographie in Berlin mehrere amerikanische Fotografen mit Einzelausstellungen – oft jeweils erstmals in Deutschland – zu sehen, u.a. Robert Adams, Diane Arbus, Lewis Baltz, Larry Clark, Paul Caponigro, Robert Cumming, William Eggleston, Larry Fink, Ralph Gibson, John Gossage, Robert Heinecken, Allan Sekula, Stephen Shore.
(2) Ulrich Görlich, Werkstatt für Photographie an der VHS-Kreuzberg, in: Fotografie, Nr. 5, 1977; Ulrich Görlich, Fotoinitiativen in Europa: Werkstatt für Photographie der VHS Kreuzberg/Berlin, in: European Photography, Nr. 1, 1980; Ernst Busche, Die Werkstatt für Photographie der Volkshochschule Kreuzberg, in: Berliner Kunstblatt, Januar 1980; Gerhard Höfer, Die Volkshochschulen füllen hier eine wichtige Lücke ... Beispiel VHS-Werkstatt für Photographie in Berlin, in: foto-scene, Nr. 15, 1981; Michael Köhler, Volkshochschul-Studium Fotografie – Das Kreuzberger Modell, in: Zoom, Nr. 4, 1982; Enno Kaufhold, in: Photographie hat Sonntag, hrsg. von der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst e.V. (NGBK) in Zusammenarbeit mit dem Kunstamt Kreuzberg, Berlin 1991, S. 6‒23; Enno Kaufhold, Die Sprache des Bildes lernen – Die „Werkstatt für Photographie“ der VHS Kreuzberg: Vor 25 Jahren gegründet, heute vergessen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.12.2001; Christin Müller, Intensität und Leidenschaft – Die Werkstatt für Photographie in Berlin-Kreuzberg – Michael Schmidt und seine Schüler. Interview mit Thomas Weski, in: Die wilde Vielfalt. Zur deutschen Fotoszene der 1970er und 80er Jahre, hrsg. von Gisela Parak, in: Fotogeschichte, Heft 137, 2015, S. 29‒40; Enno Kaufhold, Ein Phänomen ihrer Zeit, in: Bildwechsel – Fotografie nach der Werkstatt für Fotografie, hrsg. von Peter Fischer-Piel, Berlin 2016, S. 4‒19.
(3) Michael Schmidt im Gespräch mit dem Autor. Unveröffentlichtes, einstündiges Video, Berlin 2004.
(4) Michael Schmidt, Berlin Kreuzberg, hrsg. von Michael Schmidt und Erika Bräuel, Vorwort von Friedrich Voss, Berlin 1973.
(5) 1975 präsentiert Schmidt zwei Auftragsarbeiten: Das Alter im U-Bahnhof Möckernbrücke, wo er auf der Brücke über den Landwehrkanal seine Bilder ausstellt und damit großes öffentliches Aufsehen erregt, und Die berufstätige Frau im Rathaus Kreuzberg, die in Serienform den Tagesablauf und beruflichen Alltag von vier Frauen zeigt.
(6) Zur Ausstellung erscheint der Katalog Michael Schmidt. Photographien, Galerie Springer, Vorwort von Karl Pawek, Berlin 1975.
(7) 1976 tritt Bernd Becher seine Professur in der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf an. Weder er noch einer seiner Schüler besuchen die Werkstatt für Photographie.
(8) Kursverzeichnis der Volkshochschule Kreuzberg, September – Dezember 1976, S. 99 ff.
(9) Aufstellung laut Liste der Ausstellungen, Workshops und weiteren Informationen zur Werkstatt in einem von Manfred Betzel zusammengestellten Ordner aus dem Besitz von Gosbert Adler.
(10) Kursverzeichnis der Volkshochschule Kreuzberg, September – Dezember 1976, S. 99 ff.
(11) Diese werden im Büro der Werkstatt von Richard Müller und Manfred Betzel unterstützt.
(12) Michael Schmidt, Gedanken zu meiner Arbeitsweise, in: Camera 58, Nr. 3, März 1979, S. 11.
(13) In der Camera-Ausgabe vom März 1979 fordert Michael Schmidt eine Auseinandersetzung mit der amerikanischen Fotografie. In ihr sieht er vorbildlich seine Forderung nach einer Fotografie umgesetzt, die sich als Ausdrucksmittel einer Persönlichkeit versteht. Zu Recht kritisiert er, dass in Deutschland im Rahmen fotografischer, künstlerischer und wissenschaftlicher Hochschulausbildung amerikanische Fotografie kaum gezeigt oder gelehrt wird. Folgerichtig werden in der Werkstatt ab 1977 die Arbeiten amerikanischer Fotografen präsentiert.
(14) Die Ausstellungen werden 1979 und 1981 realisiert.
(15) Besonders mit William Eggleston, der mehrmals Gast in der Werkstatt ist, verbindet Wilmar Koenig eine enge Freundschaft, die sich auch in ihrer 2004 in Berlin durchgeführten gemeinsamen Ausstellung Double Exposure ausdrückt. Siehe William Eggleston & Wilmar Koenig, Double Exposure, hrsg. vom Neuen Berliner Kunstverein, mit Texten von Alexander Tolnay und Matthias Harder, Heidelberg 2004.
(16) Gabriele Franziska Götz gestaltet u.a. auch die Kataloge der Ausstellungen Photographien der Hörer und Dozenten, Berlin 1979 (mit Bildbeiträgen von Christine Bachmann, Manfred Betzel, Carl-Friedrich Brumm, Friedhelm Denkeler, Harald Dier, Hans-Joachim Dohrmann, Wolfgang Eilmes, Manfred Engel, Werner Engel, Hermann Gerstenkorn, Ulrich Görlich, Hans Hempen, Wolfgang Kanzelbach, Urda Kleinod, Wilmar Koenig, Edith Lehmann, Egon Lehmann, Thomas Leuner, Winfried Mateyka, Jörg Müller, Richard Müller, Elisabeth Neuhold-Much, Wolfgang Ritter, Rudi Rohde, Günter Seiler, Hans-Joachim Tewes, Klaus-Peter Voutta, Ausstellung in der Werkstatt für Photographie, 23.4.‒18.5.1979); Michael Schmidt und Schüler, Berlin 1980 (mit Bildbeiträgen von Friedhelm Denkeler, Wolfgang Eilmes, Jürgen Frisch, Ulrich Görlich, Wilmar Koenig, Thomas Leuner, Winfried Mateyka, Klaus-Peter Voutta, Ursula Wüst, Ausstellung in der Werkstatt für Photographie, 21.1.‒22.2.1980) und die Kataloge der Ausstellungen, die Dozenten und Hörer vereinen, Arbeiten 81, Berlin 1982 (mit Bildbeiträgen von Dieter Binder, Jürgen Bienert, Friedhelm Denkeler, Rosina Dieser, Ulrich Görlich, Günter Heck, Hans Hempen, Hans-Christian Holz, Helmut Klaus, Wilmar Koenig, Bernd Kreutz, Reinhard Kropp, Thomas Leuner, Richard Müller, Elisabeth Neuhold-Much, Ulrich-Werner Rust, Manfred-Michael Sackmann, Michael Schmidt, Petje Schröder, Ernst Stutzmann, Klaus-Peter Voutta, Ausstellung in der Werkstatt für Photographie, 1.3.‒26.3.1982) und Arbeiten 83 (mit einem Vorwort der Herausgeber und dem Text „Einige Bemerkungen zur Entwicklung der Werkstatt für Photographie“ von Joachim Schmid, Bildbeiträge von Dieter Binder, Friedhelm Denkeler, Ursula Kelm, Wilmar Koenig, Henning Langenheim, Thomas Leuner, Christa Mayer, Manfred-Michael Sackmann, Rolf Ulrich Schaefer, Klaus-Peter Voutta, Ausstellung in der Werkstatt für Photographie, 24.10.‒25.11.1983).
(17) Allan Porter, Berliner Tagebuch, in: Camera, Nr. 3, März 1979, S. 3.
(18) In Deutschland – Aspekte gegenwärtiger Dokumentarphotographie, Bonn 1979. An der Ausstellung nehmen teil: Johannes Bönsel, Ulrich Görlich, Candida Höfer, Axel Hütte, Hans-Martin Küsters, Wilmar Koenig, Martin Manz, Hartmut Neubauer, Heinrich Riebesehl, Tata Ronkholz, Thomas Struth, Michael Schmidt, Wilhelm Schürmann, Rheinisches Landesmuseum Bonn, 23.6.‒29.7.1979.
(19) Christoph Schaden, „In Deutschland: Aspekte gegenwärtiger Dokumentarfotografie; Anmerkungen zu einer epochalen Photoausstellung in Bonn (1979)“, in: frame 3, Yearbook of the German Photographic Association Göttingen 2010, S. 180‒187. Eine vergleichbare historische Bedeutung schreibt Carolin Förster der Ausstellung Reste des Authentischen. Deutsche Fotobilder der 80er Jahre zu, die Ute Eskildsen 1986 im Folkwang Museum Essen gezeigt hat. Siehe Carolin Förster, „,Reste des Authentischen‘ – Stichworte zu fotografischen Sichtweisen der 1980er Jahre in Deutschland“, in: Die wilde Vielfalt. Zur deutschen Fotoszene der 1970er und 80er Jahre, hrsg. von Gisela Parak, in: Fotogeschichte, Heft 137, 2015, S. 41‒52.
(20) Kuratoren wie Ute Eskildsen und Klaus Honnef halten Vorträge in der Werkstatt.
(21) Lewis Baltz, Larry Clark, Robert Cumming, Joe Deal, William Eggleston, Larry Fink, Ralph Gibson, John Gossage, Robert Heinecken und Tod Papageorge.
(22) So halten bspw. John Gossage („L.A. to Berlin“) am 29.5.1984 und Lewis Baltz („Spätindustrielle Entfremdung – Ein Thema der gegenwärtigen amerikanischen Dokumentarfotografie“) am 25.4.1985 Diavorträge mit deutscher Übersetzung im Amerika Haus in Berlin.
(23) Die Bücher The Pond, 1985, und Stadt des Schwarz, 1987, von John Gossage werden von Gabriele Franziska Götz gestaltet. Den Satz übernimmt Nagel Fototype, die Lithos werden von O.R.T. hergestellt und bei Brüder Hartmann wird gedruckt. Zur Entscheidung, die Produktion in Berlin durchzuführen, trägt auch der günstige Wechselkurs von US-Dollar zur D-Mark bei. Wie lange die Zeit in Berlin bei John Gossage nachwirkt, belegen die später erschienenen Publikationen Berlin in the Time of the Wall, Bethesda 2004, und Putting Back the Wall, Tucson 2007.
(24) Zugkräftige Wirkung hatten auch die Lehraufträge von Michael Schmidt 1980/81 an der Universität Gesamthochschule Essen bzw. der dort angegliederten Folkwangschule – auf diese Weise kamen beispielsweise Gosbert Adler, Joachim Brohm oder Volker Heinze in Kontakt mit der Werkstatt.
(25) Wie die Gruppe „Essen und Trinken“, die von 1983 bis 1987 besteht. Mit Heiner Blum, Joachim Brohm, Dörte Eißfeldt, Volker Heinze, Andreas Horlitz, Reinhard Matz, Klaus Pohl, Gabriele Rothemann, Hermann Stamm und Thomas Weski. Siehe „Können Bilder denken?“, mit dem Text „Verlorene Bilder“ von Hanno Loewy und einem Nachwort von Heiner Schepers, Kunstverein Lingen, Lingen 1987.
(26) Gosbert Adler, Thomas Leuner und Hermann Stamm planen Mitte der 80er-Jahre eine Ausstellung aus der Sammlung der Berlinischen Galerie, die aber nicht realisiert wird. In der Geschichte der Werkstatt wird u.a. kooperiert mit: Galerie Kicken, Köln (u.a. Sudek, Shore); Bibliothèque nationale de France, Paris (Junge französische Photographen); Museum Folkwang, Essen (Eugene Omar Goldbeck, Larry Fink, Heinz Cibulka, Allan Sekula); Castelli Graphics, New York (Lewis Baltz); Camera, Luzern (Photographie – Photographische Dokumente des 19. und 20. Jahrhunderts).
(27) Siehe Joachim Schmid, Einige Bemerkungen zur Entwicklung der Werkstatt für Photographie, in: „Arbeiten 83“, Werkstatt für Photographie, Berlin 1983, S. 8‒10. Joachim Schmid lehrt Mitte der 80er-Jahre auch kurz in der Werkstatt für Photographie.
(28) An der Ausstellung nehmen teil: Gosbert Adler, Dieter Binder, Uschi Blume, Friedhelm Denkeler, Ulrich Görlich, Wilmar Koenig, Michael Schmidt und Klaus-Peter Voutta. Der Katalog wird von Gabriele Franziska Götz gestaltet. Castelli Graphics, New York, 23.6.‒20.7.1984; Jones/Troyer Gallery, Washington, D.C., 18.9.‒13.10.1984; California Museum of Photography, University of California, Riverside, 9.11.1984‒5.1.1985.
(29) Lewis Baltz und John Gossage, Works from a Specific Place, in: Fotografie aus Berlin, New York 1984, n. pag. (Übers. Barbara Holle).
(30) N.N., The Washington Times, 27.9.1984 (Übers. Barbara Holle).
(31) E-Mail von Gosbert Adler an den Autor vom 8.7.2016.
(32) Hugo Loetscher in der Schweizer Zeitschrift DU: „Atlantis“ 26, Nr. 11, November 1966, S. 4, zit. in: Rainer Höynck, Blitzlicht auf Berlin-West. Schnappschüsse aus Vergangenheit und Gegenwart zur Jahreswende 1978/79, Camera 58, Nr. 3, März 1979, S. 4, 19, 27.
(33) E-Mail von Gosbert Adler an den Autor vom 8.7.2016 und Gespräche des Autors mit Wilmar Koenig am 26.5. und 17.6.2016.
(34) DDRFOTO, hrsg. von Gosbert Adler und Wilmar Koenig, Text: Wolfgang Kil, „Vom Abbild der Äußeren zur Erkundung der inneren Welt“, mit Fotografien von Wolfgang Gregor, Ralf Rainer Wasse, Christian Borchert, Rudolf Schäfer, Thomas Florschuetz, Ulrich Wüst, Gundula Schulze und mit Texten von Gosbert Adler, Wolfgang Kil, Gabriele Muschter, Berlin 1985. Der Katalog wird von Volker Heinze entworfen, der zu diesem Zeitpunkt noch Kommunikationsdesign an der Universität/GHS Essen studiert, sich aber bereits als Gestalter und Fotograf einen Namen gemacht hat.
(35) John Gossage, Berlin in the Time of the Wall, Bethesda 2004, S. 23 (Übers. Barbara Holle).
(36) Siehe Interview mit Thomas Leuner, in: Bildwechsel – Fotografie nach der Werkstatt für Photographie, hrsg. von Peter Fischer-Piel, Berlin 2016.
(37) Gabriele Franziska Götz unterrichtet auf Anregung von Wilmar Koenig ab 1985 den Kurs „Präsentation von Fotos“. Helga Lehnert, Thomas Leuner, Richard Müller, Rolf Ulrich Schaefer und Günter Seiler geben im November 1982 die Nullnummer der „werkstatt-blätter – Eine Zeitschrift der Werkstatt für Photographie“ heraus. Sie ist zum Preis von 3 DM, für Vereinsmitglieder für 2 DM erhältlich.
(38) Alle Beteiligten berichten im Gespräch mit dem Autor von der intensiven und vom Idealismus getragenen Arbeit als Gemeinschaft. Viele der Dozenten sind auch Gastgeber der Gäste der Werkstatt und Besucher der Workshops.
(39) Der langjährige Direktor der Volkshochschule und Förderer der Werkstatt Dietrich Masteit tritt in den Ruhestand; seine Nachfolgerin ist Monika Breger.
(40) In einem von Gabriele Franziska Götz zur Verfügung gestellten Papier ohne Datum und Namensnennung des Autors zur „Lage der Werkstatt für Fotografie“ werden unter Punkt III „Aktuelle Probleme“ benannt: „Neben den Belastungen, die sich aus der Geschichte der Werkstatt ergeben, treten noch aktuelle Finanz- und Arbeitsschwierigkeiten hinzu, die sich aus dem Wechsel in der VHS Leitung ergeben.
Die von dem früheren Leiter der VHS gewährte faktische Autonomie ist, wie sich durch das Vorgehen der neuen Direktorin zeigt, jederzeit auf das Verhältnis freie Mitarbeiter/VHS-Fachbereichsleiter reduzierbar. Ebenso problematisch ist das Verhältnis zum Förderverein geworden, da sein Verhältnis zur VHS nie verbindlich fixiert wurde.
Im Einzelnen hat sich folgende Situation ergeben: Der Galerieetat wurde von ca. 5 000 auf 1 500 DM reduziert, Kurse gestrichen (Sommerprogramm ’86), die Materialkosten für die Laborbenutzung in restriktiver Auslegung der Entgelt-Ordnung (Chemie, Papier) auf die Hörer abgewälzt. Eine Praxis, die unseren Informationen nach unter den Volkshochschulen ein Novum darstellt.“
Hermann Stamm schreibt im Auftrag der Dozenten der Werkstatt an den Bezirksstadtrat für Volksbildung im Bezirksamt Kreuzberg am 29.4.1986: „Sollte sich auch vor der Sommerpause nicht klar herauskristallisieren, wie die Arbeit der Werkstatt längerfristig gesichert werden kann, so müssen wir davon ausgehen, daß es die Werkstatt für Photographie in Zukunft nicht mehr geben wird. Aufgrund der verzweifelten Lage der Werkstatt für Photographie sehen wir uns gezwungen, wenn Sie nicht sofortige Maßnahmen einleiten, mit der Nachricht der Schließung an die Öffentlichkeit zu treten.“ Dokument zur Verfügung gestellt von Gabriele Franziska Götz.
(41) Brief von Hermann Stamm an der Bezirksstadtrat Engelmann, 5.9.1986, abgedruckt in: Peter Fischer-Piel, Bildwechsel – Fotografie nach der Werkstatt für Photographie, I. Das Ende der Werkstatt, Berlin 2016, S. 36.
Siehe auch ebd., S. 34‒37.




26.05.2018


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Schlagworte: Werkstatt für Photographie, Michael Schmid, Kreuzberg-Amerika, Thomas Weski