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Texte zur zeitgenössischen Fotografie und digitalen Bildkunst
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Statement des Herausgebers für das Jahr 2009
fotokritik.de



Liebe Leser, Kollegen und Freunde,


„Fotobuch" und nochmals „Fotobuch“ heißt das Thema des Jahres. Unaufhörlich erweitert sich die Bandbreite des Mediums Fotografie. Nach dem Durchbruch des Fotobildes als Wandgemälde und dem digitalen Schock haben die Massen das Fotobuch als Fortsetzung des Fotoalbums mit anderen Mitteln entdeckt. Die Finisher wie CeWe-Color, Fuji freut's als Ersatz für das verlorene Printgeschäft. Dieser Sog hat auch das klassische Fotobuch in der Kunstfotografie erfasst.


Der aktuelle Stand zum Boom ist im Gespräch mit Thomas Wiegand, dem Mitorganisator des 5. Kasseler Fotofrühlings 2009, zu erfahren. Zum wiederholten Male hatte sich dieses kleine Festival dem Thema Fotobuch gewidmet.


Die Lektorin des Verlages Scheidegger und Spies, Nadine Olonetzky, gibt Einblick in die Sphäre der klassischen Fotobuchproduktion, die sich von den gängigen Publikationspraxis der Druckereien mit anhängendem Verlag absetzt.


Joachim Schmid beschreibt in „President on demand“ eine neue Dimension des Fotobuches ohne Autor als Netzprodukt, eine Variante des Phänomens Fotobuch als Hybride.


In der Rubrik „neu gelesen“ stellt Thomas Wiegand das in den 70er Jahren berüchtigte Fotobuch „Kannibalen“ von Heynowski & Scheumann vor. Deutlich wird hier, wie gut sich das Medium für propagandistische Inhalte eignet, ein Merkmal, das schon bei den Fotobüchern der russischen Avantgarde ins Auge gefallen war.


Im Gespräch mit Thilo Koenig, dem Autor des Buches „material. Materialverlag-HFBK Hamburg 1972– 2006", wird die Tiefendimension des Mediums Künstler- und Fotobuch ausgelotet. Dabei fallen deutliche Worte: „Inzwischen sind wir in der Fotokultur wie im Ausstellungs- und Publikationsbetrieb ja soweit, dass es oft nur noch um die Form oder die visuelle Suggestivkraft der Bilder geht und Inhalte bei vielen AutorInnen kaum noch eine Rolle spielen. Bilder und Bücher sollen mit ihrer plakativen Aufmachung Bedeutung suggerieren, sollen Emotionen, ein Zeitgefühl transportieren, kaum noch benennbare Inhalte. …"Das sind die Bilder! Das sind meine Bilder!"


In den Foam-Listen Nr. 4 + 5 und 6 + 7 beschäftigt sich Sebastian Hau mit aktuellen Fotobüchern, die im internationalen Kontext Bedeutung haben. In den Kurzbesprechungen mit Links zeigt sich die Fülle und Vielfalt einer fotografischen Buchkunst, die ohne drucktechnischen Overkill und Reduktion auf das Einzelbild auskommt.


Zum aktuellen Schwerpunkt deutsch/deutsche Fotografie arbeitet Thomas Wiegand mit „Fiche im Netz – Glanz und Elend eines Mediums“ das in den Jahren 1982-85 von Reinhard Matz und Andreas Horlitz publizierte „Fotonetz“ auf. Dieses abonnierbare Fotoarchiv auf Mikrofiche bekannter Fotokünstler der damaligen Zeit gleicht einer Reise in die Unschuld des Mediums - vor dem Becher-Sündenfall und der Entdeckung durch den Kunstmarkt.

Abschließend möchte ich Ihnen ganz besonders das Gespräch zwischen André Gelpke und Jörn van Höfen vom Februar 2009 ans Herz legen. Es ist durch große Offenheit gekennzeichnet und spricht Tabuthemen an, wie: „Was ist mit der Generation nach den Becher-Schülern, eine lost generation?"



Thomas Leuner


Herausgeber fotokritik

31.12.2009