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Keine Druckerei mit anhängendem Verlag - ein Gespräch mit Nadine Olonetzky

von Thomas Leuner


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Frau Olonetzky, seit Januar 2008 sind Sie bei Scheidegger & Spiess in Zürich für den Bereich Fotografie zuständig. Was für ein Profil hat dieser Verlag und was ist Ihr Aufgabenbereich?


Nadine Olonetzky
Das Profil des Verlags erklärt sich unter anderem aus der Verlagsgründung: 1943 lernte der Fotograf Ernst Scheidegger Alberto Giacometti kennen. Es entwickelte sich eine Freundschaft, in deren Verlauf Scheidegger Hunderte von Porträts von Alberto Giacometti aufnahm. Als Ernst Scheidegger 1962 den Verlag gründete, war das erste Buch, das er herausbrachte, Jean Genets Text über Leben und Werk von Alberto Giacometti. In den folgenden 30 Jahren publizierte Scheidegger immer wieder Bild- und Textbände, vor allem zu Alberto Giacometti und anderen Schweizer Künstlern, oft mit seinen eigenen Aufnahmen.
1997 stiess der Publizist und Verleger Heiner Spiess zum Verlag; es kam zur Neugründung unter dem Namen Scheidegger & Spiess. Publiziert wurden weiterhin Bücher zur bildenden Kunst und Fotografie, aber auch zur Architektur. Schwerpunkte bilden seither die klassische Moderne (Malerei, Plastik), die (Dokumentar-) Fotografie und Werkmonografien von Schweizer Architekten. Nach dem plötzlichen Tod von Heiner Spiess im Frühjahr 2006 übernahm der Journalist und Redaktor Thomas Kramer die Verlagsleitung. Seither bringt der Verlag nicht nur bedeutend mehr Bücher heraus, das Programm ist auch aktueller und künstlerisch mutiger geworden. Die bereits bestehenden Kooperationen mit verschiedenen Museen – unter anderem mit dem Kunsthaus Zürich oder dem Bündner Kunstmuseum – haben sich in der Zwischenzeit intensiviert und neue wie mit dem Fotomuseum Winterthur oder dem Museum im Bellpark, Kriens, kamen hinzu. Zudem erscheint ein Großteil der Bücher nun auch in Englisch oder in zweisprachigen (deutsch-englischen) Ausgaben. Dies und der ausgebaute Vertrieb in die englischsprachigen Länder haben zu einer deutlichen Erhöhung der internationalen Wahrnehmung des Verlagsprogramms geführt, was wiederum dazu führt, dass der Verlag mehr Anfragen von Museen, Institutionen, Künstlerinnen und Fotografen erhält. Für den Verlag ist es dabei nach wie vor – auch ökonomisch – wichtig, Bücher über etablierte, ja weltbekannte Schweizer Künstlerinnen und Künstler (wie Roman Signer) und Architekten (wie Peter Zumthor) herauszubringen.
Die Fotobücher, um die es hier nun gehen soll, entstehen in enger Zusammenarbeit mit den Fotoschaffenden oder mit Institutionen. Beispiele sind: Sergey Bratkov – Heldenzeiten / Glory Days (2008)in Kooperation mit dem Fotomuseum Winterthur, Eduard Spelterini – Fotografien des Ballonpioniers (2007) sowie Las Vegas Studio – Bilder aus dem Archiv von Robert Venturi und Denise Scott Brown (2009) in Zusammenarbeit mit dem Museum im Bellpark. Im Frühjahr 2009 erschienen Zumthor sehen. Bilder von Hans Danuser und Chiara – Eine Reise ins Licht / A Journey Into Light der Fotografin Elisabeth Zahnd Legnazzi; im Herbst dann bringen wir das Künstlerbuch Underdog Suite des Fotokünstlers Cat Tuong Nguyen ohne gleichzeitige Ausstellung heraus. Diese drei Bücher enstanden alle in enger Zusammenarbeit mit den Fotokünstlern. Seit Januar 2008 bin ich im Verlag hauptsächlich (aber nicht ausschliesslich) für Fotobuchprojekte zuständig. Da ich seit Jahren für Bücher und die NZZ am Sonntag über Fotografie schreibe, war das naheliegend bzw. einer der Gründe für meine Anstellung. Offiziell wird die Stelle mit «Lektorat» bezeichnet. Tatsächlich, und wie in kleinen Verlagen üblich, hat man natürlich weit gefächerte Aufgaben; das Lektorat bildet einen Teil der Arbeit.


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Auf dem Fotobuchmarkt tummeln sich ja seit einigen Jahren traditionsreiche Platzhirsche und wenn man der Liste des Deutschen Fotobuchpreises traut, heißt das: Steidl und nochmals Steidl, dann Hatje Cantz, weit abgeschlagen Schirmer und Mosel, Prestel und so weiter. Wo ist da die Lücke für einen Kleinverlag und ein eigenes verlegerisches Konzept? Oder nutzen Sie nur die Marktlücke des in Konkurs gegangenen Scalo-Verlags?


Nadine Olonetzky
Man kann wohl davon ausgehen, dass unser Verlag mehr und interessantere Projekte angeboten bekommt als zur Zeit, als Scalo in voller Blüte stand. Doch es wäre zu kurz gegriffen, wenn wir als Nutznießer des Sterbens eines anderen Verlags gesehen würden – ganz abgesehen davon, dass es in der Schweiz noch andere kleine(re) Verlage gibt, die Foto(kunstücher herausbringen: die Edition Patrick Frey, der Salis Verlag, die Verlage Niggli, kontrast und Benteli, der Christoph Merian Verlag oder die Editione Periferia zum Beispiel. Es hat sich aber herumgesprochen, was ich schon beschrieben habe: Die Qualität unserer Bücher, der internationale Vertrieb, die Aufmerksamkeit in den Medien und das dadurch gewachsene Renommee des Verlags sind Gründe, bei uns ein Projekt platzieren zu wollen. Was uns auszeichnet und was auch zum verlegerischen Konzept gehört, ist die Sorgfalt während der gesamten Produktion. Konzept und Aufbau des Buchs, Bildauswahl, Lektorat, Übersetzungen und Korrektorat in allen Sprachen, Gestaltung und Typografie der Bücher und alle Herstellungsfragen wie Papierwahl, Umschlag, Bindung etc. werden bei uns bei fast allen Projekten mit großer Aufmerksamkeit begleitet, und zwar in der Regel von einer (oder zwei) Person(en) des Verlags. Als Autor, Künstlerin oder Institution hat man also eine für alle Belange zuständige Ansprechsperson; das macht die Arbeit übersichtlich, persönlich. Dass wir trotz diesem Engagement nicht immer gleich glücklich sind über das Resultat, versteht sich. Sachzwänge, Zeitdruck, ökonomische Gründe, etc. erfordern manchmal Kompromisse, die dann vor allem denjenigen auffallen, die darum wissen ... Zudem gibt es Zeiten, in denen wir so überlastet sind, dass nicht alles mit der gewünschten Ruhe über die Bühne geht. Einige Bücher werden auch durch die Auftraggeber, etwa Museen oder Institutionen, betreut und sind dann bei uns im Programm und Vertrieb aufgenommen.
Alle Bücher, die wir machen, sind mehr oder weniger Nischenprodukte; ein relativ kleines Publikum interessiert sich für Fotografie und Kunst. Das war aber noch nie sehr viel anders. Die Situation hat sich allerdings sicher verschärft: Das Publikum, das Geld ausgibt für Information, für Bilder und Texte, für Bücher also und für Zeitungen und Zeitschriften, die Fotografie publizieren, hat im Zeitalter des Internets noch einmal abgenommen (das Fernsehen hat hier schon Jahrzehnte vorher eine starke Veränderung provoziert). Die Qualität der Bücher und die Kooperation mit Partnern ist deshalb sehr wichtig.
Wir versuchen, mit angesehenen Institutionen Bücher zu realisieren und so gegenseitig von Synergien und vom Ansehen zu profitieren. Aber wir wollen auch mit einzelnen Fotokünstlerinnen und -künstlern Monografien oder Künstlerbücher erarbeiten.
Ich finde, wir haben hier eine gewisse Verantwortung: Jemandem eine Plattform zu bieten, dessen Werk wir schätzen, gehört zu den Aufgaben eines Verlags. Bringt man durch die verschiedenen Künstlerförderungen und Kulturstiftungen keine ausreichende Finanzierung zustande, geht der Verlag zuweilen ein beträchtliches finanzielles Risiko ein. Manche Projekte können nicht realisiert werden, denn diese Leidenschaften und Begeisterungen dürfen dem Verlag nicht 'Kopf und Kragen' kosten.
Es ist also eine Mischung aus mehreren Überlegungen, die die Qualität eines Projekts betreffen, die Qualität der beteiligten Institution oder des bisherigen Schaffens eines Foto-Kunstschaffenden, die die Auswahl bestimmen und als verlegerisches Konzept wahrgenommen werden können.
Was nun Verlage wie Steidl und Hatje Cantz betrifft, so ist der große Unterschied, dass es sich um Druckereien mit Verlagen handelt (oder um Verlage mit Druckereien); das bietet eine ganz andere Ausgangslage. Doch man darf nicht vergessen, dass es auch bei diesen großen Verlagen üblich ist, dass Kulturstiftungen Geld für Projekte einbringen, Institutionen oder der Künstler selbst das Buch (mit-) bezahlen. Zugespitzt gesagt: Wer 100,000 Euro hat und ein Buch machen will, hat gute Chancen, dort unterzukommen, wo das Projekt zum Verlagsprogramm passt. Das mag man als unschön empfinden, es ist aber eine Realität.
Man kann hier noch ergänzen, dass es 'vertriebsgetriebene' Verlagsprogamme gibt, das heisst, der erwartete Verkaufserfolg und der Grad der Vorfinanzierung sind entscheidend, ob ein Buch gemacht wird, und 'lektoratsgetriebene' Verlagsprogramme, das heisst, es sind vor allem inhaltliche Gründe, warum ein Buch gemacht wird. Bei uns – wie in fast allen Verlagen – ist das Resultat eines Entscheids eine Mischung aus beidem. Bei uns würde ein Buch, das inhaltlich indiskutabel ist und nicht zum Programm passt, nicht erscheinen, nur weil jemand viel Geld mitbringt. Wenn das auch ökonomisch aufgehen könnte, schadet das letztlich dem Namen, dem Profil des Verlags.


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In Interviews hat Gerhard Steidl den idealen Entstehungsprozess seiner Fotobücher so beschrieben: Der Fotograf legt ihm seine Bilder vor – nichts sei schlimmer als ein Dummy. Wenn Steidl persönlich von den Fotos begeistert ist, werden die Bilder in den Bauch des Verlages in der „Düsteren Straße“ in Göttingen versenkt und kommen dann als „Steidl-Produkt“ hinten wieder heraus. Das kann natürlich auch der Albtraum eines Künstlers sein, der sich lediglich als „Bilderproduzent“ behandelt fühlt. Wir kennen ja schon bei den normalen Produkten den Kampf mit dem Grafiker, der natürlich auch seine kreativen Freiheiten einfordert. Verstehe ich daher Ihr Konzept richtig, dass Sie diese „Fremdbestimmtheit“ des Buchprojektes vermeiden wollen, in dem ein Ansprechpartner die gesamte Produktion von Anfang an betreut, also vom Konzept über die Realisation bis hin zum Vertrieb und die Öffentlichkeitsarbeit.


Nadine Olonetzky
Wie gesagt, verläuft die Produktion nicht bei jedem Projekt gleich. In unserem Verlag wird ein monografisches Buch aber nie ohne die Mitwirkung des Künstlers oder seiner Nachkommen gemacht. Auch ein Buch zu einer Ausstellung erscheint nicht ohne die Kooperation mit dem jeweiligen Museum, ja Ausstellungsbücher werden sogar oft zur Hauptsache von den zuständigen Kuratorinnen und Kuratoren der Museen bestimmt. Wir nehmen hier die Rolle der Dienstleister ein, betreuen Lektorat, Übersetzung und Korrektorat und übernehmen Koordinationsaufgaben mit den Gestaltern und Lithografen, der Druckerei etc. In unterschiedlich hohem Grad nehmen wir auch auf Autorenauswahl, Gestaltung oder Bildauswahl Einfluss. Auch eine solche Projektbegleitung kann übrigens je nach Buch zuweilen sehr aufwendig sein und vor allem in der Schlussphase, wenn ein Vernissagendatum als Erscheinungstermin eingehalten werden muss, auch hektisch werden.
Bei vielen Büchern ist jedoch während des Enstehungsprozesses das Prinzip Dialog bestimmend. Diese Art von Auseinandersetzung – es ist eine Form von Gesprächskultur, die man über Monate aufrechterhalten muss und die manchmal auch ein Ringen um Kompromisse ist – braucht viel kreative Energie, psychologisch-diplomatisches Geschick, Durchsetzungsvermögen und Verantwortungsgefühl.(Ich habe also durchaus Verständnis für Gerhard Steidls Lösung, weil auf diese Weise viele teils schwierige Gespräche wegfallen). Aber ich denke, der Künstler ist kein Feind, den man ausschalten muss, um es drastisch zu sagen. Im Gegenteil führt diese Art von dialogischem Entwickeln des Buchs letztlich zu Resultaten, hinter denen alle Beteiligten stehen, weil alle wissen, weshalb es zu welcher Lösung gekommen ist. Während der Produktion treffen grundsätzlich mehrere Blicke (und Wünsche) aufeinander: Die Fotografin oder der Kurator einer Ausstellung ist mit der Arbeit, um die es geht, vertraut, weiss viel, was sehr wichtig ist, hat aber auch eine Innensicht, ist also 'betriebsblind'. Das kann etwa für die Bildauswahl hinderlich sein. Ich bzw. wir hingegen kommen von aussen hinzu, betrachten das gesamte Material mit einem frischen Blick, aber auch mit dem Ziel, ein Buch zu machen – und nicht etwa eine Ausstellung oder einen Auftritt auf einer Website. Dramaturgie, Rhythmus und Reihenfolge von Bild und Text müssen also auf dieses Produkt hin inhaltlich, gestalterisch, aber auch produktionstechnisch thematisiert werden. Wenn zum Beispiel das Format des Buchs übergroß ist, führt das zu sehr viel höheren Kosten. Oder wenn für zwei Bilder gleich ein ganzer Achterbogen mehr gedruckt werden müsste, muss man sich eben (schmerzhaft) trennen von einigen Bildern oder eine andere gestalterische Lösung finden. Das allein kann viel Diskussionsstoff liefern.
Die Gestalter – wir arbeiten bei ungefähr der Hälfte der Bücher fest mit einem Grafiker zusammen, für alle anderen Projekte wird von uns, den Fotoschaffenden oder der Institution speziell jemand gewünscht und angefragt – haben wiederum einen eigenen Blick auf das Bild- und Textmaterial. Das ist auch richtig so. Ihre Vorstellungen, was Format oder Papier, Typografie oder Bildgrößen betrifft, ist ja ein wichtiger Teil der Qualität. In den Dialog sind also sämtliche Protagonisten des Projekts einbezogen. Das fertige Buch muss dann in die Buchläden kommen und in den Medien besprochen werden, damit die Leute überhaupt wissen, dass es das Buch gibt. Das klingt vielleicht lapidar und selbstverständlich, doch die Vernetzung des Verlags durch einen internationalen Vertrieb und die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit muss man erst mal aufbauen; sie sind unglaublich wichtig.


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Geht man in einschlägige Kunstbuchhandlungen wie Orell Füssli oder Walter König, so herrscht im Fotobereich häufig eine „Krusch-Mentalität“. Da steht alles wild durcheinander: Mode, spekulativer Akt, trockene Fotogeschichte, Journalismus von WorldPress bis zum Coffee-Table-Format, Fotokunst als Monografie oder Künstlerbuch, dann natürlich Technik für Fotoamateure und Theorie für den Studenten der Kunstwissenschaften. Am leichtesten ist der Bereich Erotika zu finden. Wie will man in diesem Umfeld Qualität und Niveau verkaufen?


Nadine Olonetzky
Das Buch spricht für sich, kann ich da nur sagen bzw. hoffen. Die Fotobücher, die wir publizieren, gehören entweder zu den Kunst-Büchern, nehmen historische Fotografie auf oder thematisieren (Schweizer) Dokumentarfotografie nach dem Zweiten Weltkrieg.
Beispiele für diese Kategorien sind das im September 2009 erscheinende Künstlerbuch Underdog Suite von Cat Tuong Nguyen, der Bildband des Ballon- und Fotografiepioniers Eduarad Spelterini, von dem wir nächstes Jahr ein weiteres Buch mit kolorierten Aufnahmen herausbringen werden, oder der 2008 publizierte Bildband des Schweizer Fotografen Leonardo Bezzola, Fotografien 1948–2007. Natürlich kann man nicht mehr streng in diesen Kategorien denken: Das Künstlerbuch Manon – Eine Person etwa, das 2008 gemeinsam mit der Performancekünstlerin Manon anlässlich einer großen Retrospektive erarbeitet wurde, enthält sehr viele fotografische Arbeiten. Chiara – Eine Reise ins Licht kann sowohl als bewegendes Dokument wie auch als Künstlerbuch gesehen werden oder als Publikation, die sich in erster Linie mit existenziellen und gesellschaftlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Tod auseinandersetzt. Die Künstlerin Elisabeth Zahnd Legnazzi hat die Krankheit, das Sterben und den Tod ihrer Tochter Chiara mit der Fotokamera dokumentiert; das Buch findet man nun in den Buchhandlungen nicht unbedingt bei Fotografie, sondern eher bei Medizin, gesellschafltlichen Themen. Mir scheint jedenfalls die Durchmischung in der Abteilung Fotografie nicht das Hauptproblem zu sein, sondern eher die schiere Menge produzierter Bücher und das Tempo, mit dem Neuerscheinungen wieder aus der Wahrnehmung verschwinden. Fast alle Bücher haben nur ganz kurze Zeit eine gewisse Aufmerksamkeit, dann wird der Scheinwerfer schon wieder auf etwas Anderes gerichtet. Natürlich ist ein großes Kulturangebot grundsätzlich ein gutes Zeichen; es kann sozusagen nie genug Kultur geben.
Gleichzeitig hatte ich in den letzten Jahren stark den Eindruck, dass zu viele Bücher mit zu 'dünnen' Inhalten publiziert werden. Fotografen bringen gerade mit Verlagen, die eine eigene Druckerei haben (oder eben mit Druckereien, die einen Verlag haben) relativ schnell eine erste, größere Fotoserie als Buch heraus. Die Druckerei holt sich so Aufträge, der Fotograf hat ein Buch, das die Karriere befördern hilft. Das ist natürlich nicht einfach verwerflich, aber ich wünschte mir doch, dass man sich mehr Zeit für mehr Substanz ließe.


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Das Medium Fotobuch macht ja derzeit eine steile Karriere. Aus der Nische des Liebhaberbuchs reüssiert es zum Ersatz für das Fotoalbum als Massenphänomen. Jetzt kündigt sich auch noch die digitale Form als pdf-Datei zum Blättern auf dem Bildschirm an. Wie sehen Sie hier die Lücke für kleine klassiche Kunstbuchverlage?


Nadine Olonetzky
Ich denke, der Höhepunkt dieser Karriere ist bereits überschritten. Seit den 80er-Jahren, als der Boom der Fotografie im Kunstmarkt so richtig losging, hat die Produktion von Fotobüchern zugenommen. In den letzten Jahren scheint – von Ausnahmen abgesehen – eine Sättigung des Markts eingetreten zu sein; die Verkaufszahlen zeigen das. Ich kann mir schon vorstellen, dass in den nächsten Jahren innovative Lösungen im Internet oder in Form von E-Books auftauchen bzw. insbesondere in der Kombination von Buch und Internet.
Die digitale Form der Präsentation von Fotografie birgt vor allem auch die Möglichkeit, sehr viele Menschen zu erreichen. Derzeit ist die Finanzierung von solchen Projekten im Internet das noch größere Problem als die Finanzierung von Buchproduktionen. Mir persönlich hat beispielsweise die Projektion von Bildern in Ausstellungen immer sehr gefallen. Dass also Bilder am Bildschirm betrachtet werden, könnte funktionieren; bei Texten zweifle ich. Die Bedeutung des Haptischen, Sinnlichen, Greifbaren darf nicht unterschätzt werden. Ein Buch in Händen, kann ich Bilder und Texte konzentriert betrachten und lesen und so auf Entdeckungsreise durch (Ideen-)Welten gehen. Das ist doch unübertroffen schön.


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Vielen Dank für das Gespräch.



Das Gespräch für fotokritik führte Thomas Leuner.

16.07.2009


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Schlagworte: Fotobuch, Kleinverlag, Verantwortung, Druckerei als Verlag