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Eine kurze Geschichte der Fotozeitschrift «camera» von Nadine Olonetzky

von Redaktion


Extrakt aus 'Ein Amerikaner in Luzern - Allan Porter und camera. Eine Biografie', Pro Libro Verlag Luzern, 2007.


Von Nadine Olonetzky



Die Zeitschrift «camera» wird 1922 mit dem Anspruch gegründet, die künstlerische Fotografie vorzustellen. Sie ist die einzige auf Fotografie spezialisierte Zeitschrift der Schweiz, wird dies bis zu ihrer Einstellung 1981 bleiben und ist seither durch kein gleichwertiges Magazin ersetzt worden. Grössere Bildbeiträge, Berichte von Fotografen über ihre Arbeitsweise und, wie es in der ersten Nummer heisst, «Abhandlungen der besten Autoren auf technisch-photographischem Gebiet» sollen die Fotografie in all ihren Facetten zum Thema machen. Verlag und Redaktion möchten vor allem Amateure, aber auch Berufsfotografen, jedenfalls alle an Fotografie Interessierte ansprechen; man gibt sich ehrgeizig, was die «bildmässige», also künstlerisch ambitioniere Fotografie betrifft, und ist doch offen für Anfänger, indem Wettbewerbe veranstaltet werden und die Redaktion Fotografien der Leser kritisch beurteilt. Bereits in der dritten Nummer erscheint – aus heutiger Perspektive etwas unmotiviert – ein Beitrag auf Französisch, doch wird das Heft vorerst auf Deutsch herausgegeben, zuweilen mit einem französischen Text versehen.
Dass die Zeitschrift im kleinen Luzern und nicht etwa in einer Grossstadt wie Berlin oder Paris das Licht der Welt erblickt, ist dem Druckereibesitzer Josef Charles Bucher (1873-1950) und dem an Fotografie interessierten Redaktor Adolf Herz (1862-1947), einem aus Österreich stammenden Ingenieur, zu verdanken. J.C. Bucher, der bereits 1899 mit 26 Jahren die Druckerei von seinem Vater übernommen hat, ist ein leidenschaftlicher Amateurfotograf und tüchtiger Geschäftsmann, der seinen Betrieb im Lauf der Jahre vergrössert und ständig modernisiert. Eine Fotozeitschrift herauszugeben, verschafft also nicht nur der Druckerei Aufträge, es ist ihm selbst ein grosses persönliches Anliegen. Inzwischen ist es zudem für Berufsfotografen und Amateure gleichermassen ein Bedürfnis, sich mittels einer Zeitschrift über technische Neuheiten und gestalterische Fragen orientieren zu können. Adolf Herz wendet sich im Editorial des Hefts Nr. 1 programmatisch an die Leserschaft und macht folgenden Aufruf: «Wir laden hiermit die Künstler und Forscher aller Länder und ausserdem alle, welche unseren Lesern fachliche Mitteilungen machen wollen, höflichst ein, uns Zusendungen zu machen.»
Die Zeitschrift soll als internationales Forum für alle Fotografen und Fotointeressierten dienen. «Während 25 Jahren», erinnert sich Herz’ Sohn Josef E. Herz, «produzierte mein Vater jeden Monat in seinem schmalen Büro zuhause das Heft ohne irgendeine Unterstützung. Ob gesund oder krank, er wählte die Bilder aus, machte das Layout und schrieb Texte für die verschiedenen Rubriken. Wenn ein Artikel eine technische Neuerung oder Verbesserung vorstellte, probierte mein Vater diese nicht selten selbst aus. Er hatte eine Dunkelkammer im Keller unseres Hauses, wo er auf einem alten Vergrösserer Abzüge von Glasnegativen machte. Er hatte keine Sekretärin, keine Assistenten, keinen Computer, nur eine alte Schreibmaschine und viele technische Bücher über Fotografie.»


Die grafische Gestaltung der Zeitschrift wird von ihrer Gründung 1922 bis zu ihrem Ende 1981 mehrfach modifiziert; Typographie und Layout der Bilder offenbaren den jeweiligen Zeitgeist. In den langen Jahren von Adolf Herz’ Redaktionszeit, die mit seinem Tod im Februar 1947 endet, bleibt das Heft mehrheitlich dem so genannten Piktorialismus verhaftet, einer an der Malerei des 19. Jahrhunderts und speziell am Impressionismus orientierten, künstlerischen Fotografie. Wichtige neue fotografische Strömungen wie die Fotografie der 20 und 30er Jahre, bekannt unter dem Begriff des Neuen Sehens – die fotografische Version der Neuen Sachlichkeit –, oder der sich rasch entwickelnde Fotojournalismus finden nicht so stark Eingang in das Heft, wie sie es verdient hätten. Es ist jedoch das gute Recht jedes Redaktors, das Heft, das er produziert, mit seiner ganzen Persönlichkeit zu gestalten und zu prägen, und das heisst auch, Vorlieben und Abneigungen mit einfliessen zu lassen. Die späteren Redaktoren und Chefredaktoren von «camera» haben das nicht anders getan.



Das Heft als Kreuzung fotografischer Strömungen


Während also ab 1941 die Kulturzeitschrift «du» und bereits zuvor die «Zürcher Illustrierte» dokumentarfotografische Arbeiten und Reportagen zeigen und damit zeitgemässer auftreten, beginnt sich bei «camera» erst in den letzten beiden Jahren vor Adolf Herz’ Tod die Palette der Bildsprachen zu öffnen, etwa mit der freien Mitarbeit des Gründers der «Weltwoche» und «du»-Redaktors Manuel Gasser (1909-1979). Einen eigentlichen Aufschwung erlebt «camera» jedoch mit dem neuen Chefredaktor Walter Läubli (1902-1990), ursprünglich Grafiker und Maler, dann auch Fotograf und weit gereister, weltoffener Geist. Er lässt einzelne Texte ins Englische und Französische übersetzen, bringt Bildbeiträge Schweizer Fotografen wie Jakob Tuggener (1904-1988) oder Gotthard Schuh (1897-1969) und international wichtiger Fotografen wie Robert Capa (1913-1954) und Bill Brandt (1904-1983). 1949 erscheint eine Ausgabe mit frühen Bildern von Robert Frank. Läublis «camera» ist für die Nachkriegsfotografie eine der wichtigsten Plattformen. Mit seinen 40 verantworteten Ausgaben verschafft Walter Läubli dem Heft einen «ersten, überraschenden und unvermittelten Höhepunkt in der Geschichte der ‹camera›», wie Niklaus Flüeler in seinem Katalogbeitrag zur Ausstellung über «camera» schreibt, die der Mitbegründer und langjährige Direktor der Schweizerischen Stiftung für die Photographie – heute Fotostiftung Schweiz –, Walter Binder mit Allan Porter, dem letzten Chefredaktor von «camera», 1991 im Kunsthaus Zürich realisiert.



Neues Logo für «camera»


Der Grafiker Hans Neuburg (1904-1983) ist bereits als Redaktor und Gestalter des Katalogs der «Weltausstellung der Photographie 1952 in Luzern» bekannt, als er 1952 Läublis Nachfolge bei «camera» antritt. Luzern darf in jenen Jahren als international beachteter Ort für die Fotografie bezeichnet werden. Neuburg leitet die Redaktion bis 1954 und setzt den Akzent etwas mehr auf graphisch-experimenteller Fotografie, verfügt jedoch gemäss Niklaus Flüeler nicht über dieselbe «gelassene Sicherheit, mit der Läubli die Hefte konzipiert hatte». Neben vielen kleinen Beiträgen werden jedoch nach wie vor grosszügige Bildstrecken mit Fotografien von Ernst Scheidegger, René Groebli, Eugene W. Smith, Gisèle Freund oder Henri Cartier-Bressons publiziert.
Nach einem Intermezzo von 1954 bis 1956, während dem das Heft von Imre Reiner (1900-1987) betreut und mit einem neuen, allerdings bis zuletzt beibehaltenen Logo ausgestattet wird, beginnt der leidenschaftlich an Fotografie interessierte Autor Romeo E. Martinez «camera» entscheidend zu prägen. Er führt das Heft, das damals gemäss dem Untertitel «Internationale Monatszeitschrift für Photographie und Film» auch zahlreiche Beiträge über Film publiziert, nun zurück zur Zeitschrift mit Schwerpunkt Fotografie. Mit der Juli-Ausgabe 1956 wird Martinez Chefredaktor, und erstmals ist im Impressum die Ehefrau von Josef Charles Bucher, Alice Bucher, als Herausgeberin genannt. Als Josef Charles Bucher erkrankt, übernimmt die geschäftstüchtige und an Kultur interessierte Alice Bucher bereits ab 1941 mehr und mehr Aufgaben in der Druckerei und nach seinem Tod 1950 die Leitung der Druckerei und des Verlags. Als technischer Redaktor wird Heinrich Freytag und als Grafiker Emil M. Bührer aufgeführt: Die Redaktion wird also professionalisiert. In der Ära Martinez vollzieht sich auch ein Wechsel vom dreisprachig herausgegebenen Heft zur Publikation in drei separaten Versionen in Deutsch, Englisch und Französisch, damit das Heft auch in den Ländern mit den jeweils gesprochenen Sprachen vertrieben werden kann. Man will «camera» zu einer der führenden Fotozeitschriften der Welt machen.



«camera» als internationale Plattform


Romeo E. Martinez, in Paris und Luzern lebend und international mit zahllosen Fotografen und Fotografinnen befreundet, bringt dem Heft nun auch eine Professionalisierung, was die Bildauswahl und -betrachtung betrifft. Ähnlich wie später Allan Porter verfügt Romeo E. Martinez über ein grosses Wissen, was Fotografie und Fotogeschichte betrifft, und eine Leidenschaftlichkeit im Umgang mit Bildern, die selten ist. Er vertraut auf die emotionale Wirkung der Fotografie und ist überzeugt, mit der richtigen Auswahl und dem entsprechenden Layout der Leserschaft auch vermitteln zu können, worum es dem Fotografen oder der Fotografin bei ihrer Arbeit geht: «Über die Bildinhalte und ihre möglichen Aussagen hinaus», so Niklaus Flüeler, «sollten die Aufnahmen in der Art ihrer Präsentation und aufgrund der Auswahl zugleich verraten, wes Geistes Kind der Photograph, die Photographin selber ist, wie er oder sie denkt, fühlt, wo sie politisch, menschlich, herkunfts- und bildungsmässig stehen, wie sie ausgerechnet zur Photographie kamen und warum sie davon nicht mehr loskommen.» Unter seiner Chefredaktion erscheinen Hefte mit Fotografien von Inge Morath (1923-2002) und René Burri (*1933), Robert Doisneau (1912-1994) und erneut Robert Frank, von Gotthard Schuh, Edward Weston (1886-1958) und Aufnahmen des Magnum-Fotografen David ‹Chim› Seymour (1911-1956) oder von Richard Avedon. Sozusagen fotografische Minderheiten werden 1958 im Heft «Die Frau als Photograph» thematisiert und in der Nummer 1/1960, in der die afroamerikanische Sichtweise durch Arbeiten von Gordon Parks (1912-2006) präsentiert wird, des ersten schwarzen Fotografen und Filmregisseurs, der international Beachtung findet. In diesem Heft, in dem mit schwarzweissen und farbigen Fotoessays, Reportagen und Modefotografien verschiedene Bildsprachen zusammengestellt sind, werden der Leserschaft auch Rubriken wie die «Photo-Nachrichten», das «Photo-Lexikon» und der «camera test» geboten, hier etwa der Kamera Minox B, einer der besten Kleinstbildkameras der damaligen Zeit. Man muss sich vergegenwärtigen, dass die Zeitschrift zu dieser Zeit bereits in 35 Ländern abonniert werden kann: in Deutschland, England, Frankreich und den USA sowieso, aber auch in Griechenland, Uruguay, Cuba, Indien oder dem damaligen Ceylon. Der auf die USA spezialisierte Redaktor Lew Parella steuert Beiträge amerikanischer Fotografen bei. Sicher ist nicht jede Ausgabe in den Jahren von Romeo E. Martinez’ Chefredaktion gleich gut gelungen, doch erlebt die Zeitschrift durch die publizierte Fotografie und wegen ihrer Beiträge zu technischen und gestalterischen Themen eine zweite Blütezeit.



Bildbände und eine Fotozeitschrift


Inzwischen hat sich der C.J. Bucher Verlag auch als Herausgeber von herausragenden Fotobildbänden etabliert: Das 1960 publizierte Buch «Augenblicke» («Moments preserved») von Irving Penn und «Im Hinblick» mit Fotografien von Richard Avedon und einem Text von James Baldwin von 1964 sind ebenfalls auf Martinez’ Initiative entstanden. Romeo E. Martinez verlässt 1964 die Redaktion – das Heft erscheint eine Zeit lang unter der Schirmherrschaft von Alice Bucher ohne eigentlichen Chefredaktor – und bleibt jedoch noch bis 1975 im so genannten «Redaktionskommitee» tätig. Zwar sind jetzt sowohl «camera» wie auch das fotografische Verlagsprogramm international beachtet, doch ist die finanzielle Situation, in der sich «camera» befindet, zunehmend ein Problem. Das dürfte nicht nur daran liegen, dass es in jedem Fall schwierig ist, eine solche Zeitschrift gewinnbringend zu produzieren – die Druckerei Conzett & Huber in Zürich leistet sich zur selben Zeit etwa die Herausgabe des «du» ebenfalls als Prestigeobjekt, das die Fähigkeiten der Druckerei unter Beweis stellen soll. In den 60er Jahren ist die Fotografie zudem in eine Krise geraten. Nach der boomenden Reportagefotografie, nach dem enormen Erfolg von Fotoagenturen wie Magnum, der weltweiten Verbreitung von Zeitschriften aller Art, in denen die Fotografie wichtiger Bestandteil ist, bereitet es den Fotografen, Fotografinnen und den Redaktionen mehr und mehr Schwierigkeiten, die immer wiederkehrenden, das heisst inzwischen mehrfach durchgearbeiteten Themen in der Fotografie – Porträts, Reportagen, Landschaften oder Stillleben – unter neuen Blickwinkeln zur Diskussion zu stellen. Die ganz grosse Zeit der Fotoreportagen bekommt Brüche, was sich auch darin zeigt, dass in den 70er Jahren international sehr wichtige Zeitschriften verschwinden. Die Zeitschrift «Life» etwa, die 1883 als Unterhaltungsmagazin mit Illustrationen gegründet und, 1936 zum Nachrichtenmagazin mit zahlreichen Fotografien transformiert, in der Nachkriegszeit zur wichtigsten Publikation aufsteigt und zeitweise in einer Auflage von 13,5 Millionen Exemplaren wöchentlich erscheint, erlebt Ende der 60er Jahre einen dramatischen Einbruch der Verkaufszahlen und wird 1972 vorübergehend eingestellt bzw. von 1972 bis 1978 nur zehn Mal als «Life Special Report» gedruckt. Ab 1978 erscheint «Life» zwar erneut, erreicht jedoch nie mehr die enorme Bedeutung für die Politik und Gesellschaft, die die Zeitschrift in den 50er und frühen 60er Jahren hat. Die grosse Fotoreportage wird von der Fernsehreportage konkurrenziert, ja abgelöst. Hinzu kommt, dass die Fotografie von der Leserschaft zunehmend nicht mehr unbefangen als objektive Darstellung der Welt akzeptiert, sondern vielmehr als vom Fotografen geprägte, subjektive, ja manipulative Weltsicht wahrgenommen wird.


Dem «camera»-Chefredaktor Romeo E. Martinez dürfte es neben diesen gewissermassen allgemeinen Umbrüchen, die die Fotografie in diesen Jahren betreffen, zudem schwer gefallen sein, die wachsende Wichtigkeit technischer Beiträge, die mit dem 1960 erfolgten Zusammenschluss von «camera» mit Europhot, der europäischen Vereinigung der Berufsfotografen, stattgefunden hat, mitzutragen; bis 1968 werden jährlich vier Spezialausgaben «camera – Europhot» herausgebracht. Dass schliesslich der Chefredaktor von Paris aus die Redaktion in Luzern betreut, wird vom Verlag als Hindernis für die schnelle und effiziente Produktion des Hefts erkannt. Kurz: Es ist Zeit für einen Wechsel, Zeit für jemanden, der in Luzern arbeiten und mit frischem Geist an die Realisierung der Ausgaben herangehen würde.



Allan Porters «Museum ohne Wände»


«Man muss sich vorstellen, dass es damals nur wenige auf Fotografie spezialisierte Galerien und nur wenige Museen mit Fotosammlungen und Fotoausstellungen gab. Meine Idee war nun, das Heft zu einer Art ‹Museum ohne Wände› zu machen, zu einer gedruckten Galerie», sagt Allan Porter. Im Editorial der November-Ausgabe 1974 wird er auf André Malraux’ 1951 erschienenes Buch «Voix du silence» Bezug nehmen und schreiben: «Der Titel ‹Museum ohne Wände› ist kein von mir geprägtes Wort, sondern die Überschrift zum ersten Abschnitt des Werkes ‹Voices of Silence› aus der Feder eines unserer geistreichsten Zeitgenossen und Kunstkritiker: André Malraux. Jenes Vorwort zu dem kunsthistorischen Werk bezieht sich auf den Wandel in der Art, wie Kunstwerke ausgestellt und die Künste unterrichtet werden, und auf den Einfluss, welcher dabei von der Photographie auf die Studenten ausgeübt wird. Die Photographie als Medium wird nur kurz erwähnt, aber ihre Bedeutung als Reproduktionsmittel wird unterstrichen, und das Werk bietet viele Anregungen zu Gedanken über die Bedeutung der Photographie bei der Wandlung der Künste und über die Rolle, welche ihr im Zusammenspiel mit anderen künstlerischen Bemühungen zukommt.» Tatsächlich jedoch sind anfang der 70er Jahre die Institutionen, die sich mit Fotografie beschäftigen, sie in Ausstellungen präsentieren und sammeln – etwa das New Yorker Museum of Modern Art – dünn gesät und hauptsächlich in den USA angesiedelt. «Es gab damals in Europa keine Museen und keine vergleichbare Zeitschrift», meint der Direktor des Fotomuseums Winterthur, Urs Stahel, der als Student «camera» abonniert hatte. «Ausser dem Kunstgewerbemuseum Zürich, wo der Kurator und Autor Willy Rotzler von Zeit zu Zeit Fotoausstellungen realisierte, gab es hier kein Institution, die Fotografie zeigte. Das Heft war tatsächlich ein Museum im Magazinformat.» Auch die Kuratorin Erika Billeter gehört damals zu denjenigen, die Fotoausstellungen im Kunstgewerbemuseum Zürich und später auch im Kunsthaus Zürich realisieren, doch insgesamt ist die Präsenz von Fotoausstellungen in Schweizer Museen noch marginal.
Dass jedoch auch in den USA die Fotografie als ausstellungswürdiges Medium noch nicht selbstverständlich ist, zeigt ein programmatisches Statement, das der Kurator Morris Gordon in der «camera»-Ausgabe Nr. 5/1965 abgibt. Das noch vor der Mitarbeit von Allan Porter herausgebrachte Heft stellt Gordons 1965 in der Gallery of Modern Art des New Yorker Huntington Hartford Museums gezeigte Fotoausstellung vor. Er glaubt, sein Tun als Fotokurator so verteidigen zu müssen: «Meine Konzeption photographischer Ausstellungen ist denkbar einfach: Es geht darum, Photographien in anerkannten Museen auszustellen, wo sie dieselbe Beachtung finden wie andere künstlerische Ausdrucksmittel: Malerei, Plastik, Radierungen und Zeichnungen. (...) Ich will den gelegentlichen Museumsbesucher zum Verständnis für gute Photographie erziehen, und zwar nicht, indem ich ihn zwinge, das zu ‹schlucken›, was mir gefällt, sondern indem ich ihn mit einer Fülle von positiven und negativen Beispielen konfrontiere und so am Beispiel das Wertvolle vom Minderen zu unterscheiden lehre. (...) Ich sehe also den Sinn der Photoausstellungen in der Gallery of Modern Art vornehmlich im Aufzeichnen neuer Ausdrucksmöglichkeiten und in einer Befreiung vom Veralteten.» Die Ausstellung zeigt Aufnahmen von elf Berufsfotografen, von denen heute Robert Doisneau, Ernst Haas (1921-1986), Philippe Halsman (1906-1979) oder Irving Penn noch ein Begriff sind; Horst H. Baumann, dessen Buch «Die neuen Matadore» Allan Porter gestaltet hat, ist ebenfalls vertreten.
Allan Porter versucht mit der Zeitschrift «camera», seinem «Museum ohne Wände», Ähnliches: Er stellt neue Ausdrucksmöglichkeiten und Protagonisten des Mediums Fotografie vor und wirft zugleich immer wieder einen Blick auf die Geschichte der Fotografie, damit die Leserschaft des Hefts einordnen lernt, vor welchem Hintergrund die aktuelle Fotografie entstanden ist. Der Fotokunsthändler Kaspar Fleischmann meint denn auch, dass das, was Allan Porter und er gemeinsam hätten, sei «die Erziehung und Wissensvermittlung über Fotografie. Ich versuchte das mit meiner Galerie und mit Vorträgen, Allan Porter mit der Zeitschrift ‹camera›, seiner guten Bildauswahl und den hervorragenden Artikeln.» Wie wichtig dies gewesen ist, lässt sich heute, da Galerien, Foto- und Kunstmuseen Fotografie selbstverständlich ausstellen, Informationen über die Arbeit von Fotografinnen und Fotografen im Internet zugänglich geworden sind, zahlreiche Zeitschriften erscheinen und sich die Fotointeressierten einer unüberschaubaren Flut von Bildbänden ausgesetzt sehen, kaum mehr ermessen.



Nadine Olonetzky, August 2007


03.01.2008


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